Forschung hautnah


Prof W Binder im Labor

Prof W Binder im Labor

Selbstheilende Flugzeugbauteile

Dass Heilung in der Natur gut funktioniert, hat wohl jeder schon selbst am eigenen Körper erlebt. Auch wenn eine Verletzung beim Brotschneiden (oder auch ein Knochenbruch beim Schifahren) seine Zeit zur Regeneration braucht: Nach ein paar Tagen oder Wochen ist man wieder fit und die ursprünglich gebrochene Stelle wieder voll einsatzfähig. Doch wie kann man dieses Prinzip auf Kunststoffmaterialien im alltäglichen Leben übertragen, die ebenfalls brechen, reißen oder auch langsam durch äußeren Abbau zerstört werden? Die Entwicklung dieser selbstheilenden Materialien aus Polymeren steht im Zentrum der Forschungsaktivitäten am Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie (Prof. Wolfgang Binder) in Halle. Dabei konzentrieren sich die Forscher besonders auf die Anwendung dieser Materialien im Flugzeugbau. Kleine Risse an der Außenhülle sollen schon sehr früh wieder verheilen, ohne dass eine Reparatur von außen gesteuert werden müsste. Dies wäre ein entscheidender Beitrag zur längeren Haltbarkeit von Materialien und natürlich auch eine Verbesserung der Flugsicherheit.

Selbstheilung über flüssige Polymermoleküle (Supramolekulare Selbstheilung)

Supramolekulare Selbstheilung

Die Selbstheilung bei Polymeren, also Kunststoffen, ist vergleichsweise einfach. Nach einem Riss im Material müssen sich die langen Kunststoffmoleküle von selbst wieder zusammenfügen. Von Außen betrachtet, verklebt dabei das gerissene Plastematerial. Um diesen Prozess allerdings automatisch ohne externen Klebstoff ablaufen zu lassen, wird in Halle an zwei verschiedenen Lösungswegen geforscht.

Im ersten Konzept werden flüssige Polymermoleküle verwendet, die von selbst schnell in den Riss hineinwandern können. Der Riss wird zunächst aufgefüllt und nachfolgend verklebt. Dies ist ganz ähnlich wie bei einem Klebstoff. Allerdings kann dieser hart und auch wieder weich werden. Die speziell designten Polymermoleküle können dabei wiederholt auseinandergerissen werden, und anschließend von selbst verheilen. Wichtig ist, dass dieser Prozess am Flugzeug auch bei weit unter null Grad Celsius möglichst schnell abläuft. Dies ist eine große Herausforderung an die Materialentwickler und Forscher. „Gleichzeitig müssen die Materialien hart, formbeständig, feuerfest und auch hochbelastbar sein“ so Binder – sonst können diese nicht in Flugzeugbauteilen verwendet werden.

Heilung über einen Zweikomponentenklebstoff. Kapseln geben beim Aufreißen die Komponenten frei und führen zum Verkleben der Schadstelle.

kapselbasierte Selbstheilung

Ein zweites Konzept zur Herstellung selbstheilender Polymere basiert auf einem Zweikomponentenklebstoff, der direkt im Polymer enthalten ist. Kapseln, weniger als ein Haar breit, sind mit zwei unterschiedlichen Komponenten gefüllt und werden in das Polymermaterial gepackt. Wird nun das Material beschädigt, zerbrechen auch die Kapseln. Dabei werden immer mehrere Kapseln gleichzeitig zerstört und beide Komponenten fließen in den Riss. Die gut beweglichen Moleküle in den Kapseln vermischen sich im Riss und reagieren anschließend miteinander. In Folge verkleben die vormals flüssigen Polymere und bilden eine harte Füllschicht. Risse werden damit naturgemäß geheilt. Die Herausforderung bei diesem Konzept liegt ebenfalls in der Verklebung bei niedrigen Temperaturen, da chemische Reaktionen bei tiefen Temperaturen immer langsamer und damit ineffizienter ablaufen.

Daher werden nicht nur Polymere untersucht, die schnell fließen können, sondern auch chemische Reaktionen, die bei sehr tiefen Temperaturen noch ausreichend schnell ablaufen. Diese sind aufgrund des hohen Energieaustrages der Reaktion weitgehend unabhängig von der Umgebung, sowie von den verwendeten Komponenten.